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England 2023

Lange Zeit war vergangen, seit ich meine zweite Heimat besucht hatte. Der Brexit und die politische Landschaft hatten mich frustriert und die Covid-Pandemie hatte das letzte Verlangen nach England zu fahren quasi eliminiert.
Als sich das pandemische Geschehen endlich soweit unter Kontrolle war, dass man wieder entspannt verreisen konnte kam die Sehnsucht nach diesem eigentlich so schönen Land wieder durch. Natürlich wollte ich auch endlich meine Freunde und den britischen Teil meiner Familie endlich mal wieder sehen.

Einige schnelle Planungen und Telefonate später packte ich meinen Fotorucksack und einen kleinen Koffer und setzte mich in den nächsten Flieger von Hamburg nach London.
In meinem Rucksack fanden sich ein Carbon Reisestativ, meine damals recht neue Nikon Z7II, ein Nikkor Z 35mm/1,8, ein Nikkor Z 20mm/1,8, ein Nikkor Z 85mm/1,8 und mein treues, altes, recht gewichtiges Nikkor 70-200/2,8 GII ED mit dem Adapter auf das Z-Bajonett. Eine recht vielseitige, allerdings auch nicht ganz leichte Zusammenstellung von Objektive. Dafür wusste ich, dass ich für alle Dinge, die ich tun wollte auf jeden Fall die passenden Optiken dabei haben sollte. Klar gekommen wäre ich vermutlich auch nur mit dem 35mm. Dann hätte ich mir eine Menge Geschleppe erspart, allerdings hätte ich dann auch das eine oder andere Bild auf die Art nicht machen können.

Von dort fuhr ich in den recht wohlhabenden aber immer noch beschaulichen Vorort Richmond. Mein alter Freund John, seines Zeichens Gitarrist zahlreicher Bands, die ich im Laufe meiner Karriere begleiten durfte, zeigte mir zunächst das Örtchen in dem er einst aufgewachsen war. „Dieses haus gehörte mal Keith Richards und das Haus gehört Mick Jagger. Dort drüben ist der Ausblick den William Turner in einem seiner berühmten Gemälde verewigt hat.“ So oder so ähnlich ging das etwa eine Stunde lang, bis wir in seinen alten Proberaum ein paar Instrumente und Verstärker für den nächsten Gig seiner Band „The Fades“ zusammen stellten. Da selbiger Gig am nächsten Tag statt finden sollte ließen wir den Tag recht entspannt mit seiner Mutter und einer guten Pizza ausklingen.

Richmond

The Fades im 229 in London

Wie geplant ging es am nächsten Tag mit Sack und Pack in einem Uber einmal quer durch die Stadt bis zur 229, einem kleinen Indie-Laden in der des Regent’s Parks. Dass die Band mal eben 45 Minuten mit einem Uber ihre Sachen zum Konzert bringen ist London relativ normal. Denn Autos sind teuer im Unterhalt, Parkflächen sind ohnehin begrenzt und die Congestion Charge nahezu unbezahlbar.
Also schleppten wir das Equipment in den Keller, wo der Gig stattfinden sollte und bauten alles auf. Vom Aufbau, über den Soundcheck bis zum eigentlich Gig begleitete ich meine Freunde bis wir erschöpft aber gutgelaunt wieder ins beschauliche Richmond aufmachten. Das war schon mal ein ordentlicher Auftakt für meine kleine Reise über die Insel.

West Lulworth, Dorset

Am nächsten Morgen ging es dann mit John an die Englische Südküste. Dort war er vor ein paar Jahren aus dem Londoner Stadtteil Streatham Hill gezogen. Genauer gesagt nach West Lulworth in der Grafschaft Dorset.
Es präsentierte sich mir ein wunderschönes, kleines Fischerdörfchen. In diesem Dörfchen passiert das ganze Jahr über einfach mal gar nichts. Es ist einfach nichts los. Außer einigen Wanderern und der lokalen Bevölkerung trifft man kaum einen Menschen. Dafür bekommt man eine atemberaubend schöne Landschaft, türkises Wasser und sehr viel Ruhe. Selbst die Touri-Hotspots waren recht nicht annähernd überlaufen, auch wenn der Parkplatz der Lulworth Cove aus der Entfernung recht voll aussah. Das könnte natürlich daran liegen, dass in direkter Nachbarschaft ein großes Truppenübungsgebiet liegt. Es kommt häufiger vor, dass man tagsüber und Abends Explosionen, Gewehrfeuer und Panzer hören kann.
Nach dem ich von John, seiner Frau Allison und ihren Töchtern am ersten Abend erstmal ein wenig rum geführt wurde, packte ich am nächsten morgen meinen Fotorucksack und machte mich auf die Gegend zu Fuß zu erkunden.
Also bin ich zunächst in die zauberhafte kleine Bucht spaziert, um das leicht karibische Feeling in der knallenden Mittagssonne einzufangen. Kristallklares Wasser eingekesselt von, für die Gegend charakteristischen Kalkfelsen. Von dort machte ich mich auf zur Durdle Door. Ein sehr bekanntes, natürlich entstandenes Loch in einem Felsen im Meer. Da man in England einfach über Weiden laufen darf, dachte ich es sei eine gute Idee querfeldein zu spazieren. Zunächst durchquerte ich ein Tal, um einen vermeintlich kleinen Hügel zuerklimmen. Der hörte aber irgendwie nicht auf. Locker 30°C im Schatten, ohne Schatten und ich kam und kam nicht oben an. Als ich dann irgendwann die eigentliche Spitze des Hügels erreichte, kamen noch ein paar Meter oben drauf. In der Steinzeit war dies nämlich eine Grabstätte. Aber irgendwann hatte ich auch das geschafft. Ab jetzt ging es endlich wieder runter zum Meer. Ein weiter Weg zu Fuß gefolgt von einer lange Treppe führt hinunter zur Durdle Door. Als ich unten ankam wurde mir sofort klar, dass ich dummerweise den kompletten Weg wieder nach oben laufen muss … verdammt …
Zum Glück war auch dieser recht prominente Ort einfach nicht sonderlich voll. Also hieß es erstmal ausruhe, die Szenerie genießen und ein paar Fotos machen. Als die Sonne schließlich begann unterzugehen, raffte ich mich auf um den langen Weg zurück zur Bucht hinter mich zu bringen. Denn ein absolutes Highlight wartete noch auf mich. Das wunderschöne Stair Hole ganz in der Nähe der Lulworth Cove. Hierbei handelt es sich um eine recht ähnliche Felsformation, wie das Durdle Door. Etwas kleiner und schwer erreichbar. Dort wollte ich unbedingt ein paar Langzeitbelichtungen machen.
Zum Abschluss des Tages wurde ich dann noch einen bombastischen Mondaufgang in der Bucht belohnt.

Sourton, Devon

Nach dem ich einige Tage bei meinen Freunden in Dorset verbingen konnte, folgte ich der Einladung von meinen lieben Freunden Tim und Sally und machte mich auf den Weg nach Devon. Devon liegt westlich von Dorset. Mein Ziel war das kleine Örtchen Sourton dass direkt an der Grenze zum Dartmoor Nation Park liegt. Also gar nicht so weit von den fiktiven Geschehnissen die Sir Arthur Conan Doyle in seiner Erzählung „The Hounds of Baskerville“ die er seine Helden Sherlock Holmes und Dr. Watson durchleben lies. Also durfte ich mich auf viel Einsamkeit, und raue Landschaft freuen.

Zunächst durfte ich ein Zimmer allerdings im wunderschönen Highwayman Inn beziehen. Hier wird man von Sally, Tim in einem absolut ungewöhnlichen Inn begrüßt. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass es sich hier um den ungewöhnlichsten Pub Englands handelt. Schaut euch am Besten die Bilder an, denn jeder Raum, jede Bar, jede Ecke ist ein Suchbild. Über viele Jahre wurden in den Familiengeführten Pub immer mehr Kuriositäten angesammelt. Aber seht euch die Bilder am Besten selbst an und schaut, was es dort alles zu entdecken gibt.
Den ersten Abend verbrachte ich dann damit in der näheren Umgebung einige Langzeitbelichtungen zu machen. Die kleine Kirche, die keine 200 Meter vom Highwayman Inn entfernt steht bietet eine wunderschön, leicht gruselige Optik und das unter einem fantastischen Sternenhimmel.

. Als erstes bot es sich natürlich an die nähere Umgebung zu erkunden. Also Rucksack auf den Rücken geschnallt, Kamera in die Hand und die Straße überquert. An der kleinen Steinkirche und dem hübschen Friedhof vorbei direkt ins Moor. Was wir Norddeutsche so als Moor kennen sieht in England ein wenig anders aus. Denn von einer Renaturierung oder allgemein unberührten Moor und Wald ist in weiten Teilen von Dartmoor nicht zu denken. Vielmehr erstreckt sich eine Hügellandschaft soweit das Auge reicht. Graß, Moor, Farn und Felsen wechseln sich im Minutentakt ab. Es empfiehlt sich festes Schuhwerk an den Füßen zu haben, denn wirkliche Wege, gibt es dort eigentlich nicht. Es handelt sich vielmehr um Weideland auf dem Schafe und Lämmer ihren Hunger stillen. Viel mehr passiert dort eigentlich nicht. Dafür trifft man hier nur selten auf andere Menschen. Recht kurzentschlossen traf ich die recht zweifelhafte Entscheidung das Yes Tor zu besteigen. Ein Tor ist in England allerdings kein Tor, sondern vielmehr die Bezeichnung einer Erhebung in der Landschaft. Das Glastonbury Tor ist ein recht bekanntes Beispiel für eine solche. Übersetzt heißt das von dem keltischen „Twr“ abstammende Wort so viel wie „Berg“ oder „Hügel“. Ob es sich bei diesem Tor tatsächlich um einen Berg handelt oder vielmehr um einen Hügel, überlasse ich lieber Hugh Grant. Der kennt sich mit sowas aus.
Mein Weg führte mich von der Kirche über Hügel, an dem Trinkwasserreservoir und einen Staudamm vorbei, immer tiefer in den Dartmoor National Park. Selten änderte sich die Vegetation. Was sich allerdings permanent ändert ist der Untergrund. Alle paar Meter hat anderen Boden unter den Füßen. Mal sandig, fest und trocken, mal weich und nass oder auch felsig. Hier und da stehen einzelne Bäume. Ansonsten Farne und Gras soweit das Auge reicht. Überall wo mal ein kleiner Bachlauf zu Tage tritt finden sind dann auch eine Vielzahl an Moosen, Sträucher und knorrige Bäume. Als ich nach vielem Berg auf und ab schließlich kurz vorm Yes Tor stand und immer wieder dachte: „Das kann ja gar nicht mehr so weit sein, verdammt!“ fielen mir merkwürdige Warnschilder auf…
Auch hier befand ich mich auf einem Truppenübungsgebiet. Unglaublich aber wahr: Sollte man dort Munition oder Granaten oder ähnliches finden, ist man aufgefordert diese bitte liegen zu lassen und sich zu entfernen.
Immerhin schien dort schon länger niemand mehr geübt zu haben.
Irgendwann hatte ich es dann endlich geschafft. Ich stand auf dem Yes Tor. Und oben drauf war es verdammt windig! Es war so windig, dass ich meine wohlverdiente Pause ein paar Meter nach unten in den Windschatten der Felsformation verlegte.

Penzance, Cornwall

Cornwall

Folkestone, Kent

Author: Kevin

Kevin ist Inhaber des Photostudio Ottensen und seit mehr als zehn Jahren als Fotograf selbstständig.